Vom 14. bis 21. Dezember 2011 finden zum siebeten Mal AUFGEDREHT JugendKinoTage Oberhausen statt.
Wie in jedem Jahr haben wir auch dieses Mal sehr unterschiedliche Filme, speziell für unser jugendliches Publikum zusammengestellt. Jeder der Filme nimmt uns auf seine ganz eigene Art in eine jugendliche Lebenswelt mit und fordert uns gleichzeitig auf zum Mitfiebern, Mitlachen und Nachdenken. Da alle Filme jahresaktuell sind gibt es auch dieses Mal garantiert wieder viel Neues auf der Kinoleinwand zu entdecken. Zu jedem Film bieten wir spannende Gespräche mit Gästen oder mit unserer Moderatoren Anja Schmidt/AGENTUR Sehsternchen.
9 Leben
Deutschland 2010 / 105 Min.
Regie: Maria Spethhttp://www.kino.de/star/maria-speth/125700
Kamera: Reinhold Vorschneider, Ingo Brückmann
Darsteller/innen: Krümel, Sunny, JJ, Soja, Stöpsel und Familie, ZA, Toni
FSK: ab 12 Jahre / ab 10. Klasse
Sunny, Toni, Krümel, JJ, Stöpsel, Soja und Za sind alle in sehr jungem Alter, zumeist zwischen 11 und 14, von zu Hause weggegangen, um zeitweise oder dauerhaft in Berlin auf der Straße zu leben. So hat Elisabetha alias Za mit 14 das Musikgymnasium abgebrochen, um am Alexanderplatz bei ihren Freunden zu leben. Oder die heute 35-jährige Stöpsel, die drogenabhängig und obdachlos war und heute mit ihrem Mann und fünf Kindern in Berlin-Wedding lebt. In der Dokumentation erzählen sie von ihrem Leben und ihren Erfahrungen und führen dabei auch ihre Talente und Fähigkeiten, z. B. das Musizieren oder Fotografieren, vor.
Fernab aller Klischees über Obdachlose und Punks fängt Regisseurin Maria Speth ("Barfuß") die ungeheure Kraft ein, die von diesen Menschen ausgeht. Betrachtet man ihre körperlichen und seelischen Narben, könnten sie alle bereits neun Leben gelebt haben. Trotz oder gerade wegen ihrer extremen Lebensumstände haben sie sich zu herausragenden Persönlichkeiten entwickelt, mit ganz individuellen Talenten und Lebensphilosophien. Es wird nicht ihr Alltag auf der Straße dokumentiert, sondern den Protagonisten die Möglichkeit gegeben, im Studio über sich und ihr Leben zu erzählen. Dadurch rückt die Person in den unmittelbaren Fokus.
Themen: Individuum (und Gesellschaft), Jugend/JUgendlich/JUgendkultur, Rebellion, Erwachsenwerden, Drogen, FilmspracheUnterrichtsfächer: Deutsch, Sozialkunde/Gemeinschaftskunde, Ethik, Religion; Kunst, Medienkunde, Psychologie
Informationen des Verleihs Website zum Film: www.madonnenfilm.de/9leben.html
Pädagogische Begleitmaterial: www.kinofenster.de (Suche: Filmtitel eingeben)
Zu diesem Film hat VISION KINO wieder für Lehrkräften Ideen für den Einsatz im Unterricht erstellt - einfach auf das Logo FILMTIPP gehen und mehr erfahren ...
Atmen
Österreich 2011 / 90 Min.
Regie & Drehbuch: Karl Markovics
Kamera: Martin Gschlacht
Darsteller/innen: Thomas Schubert, Karin Lischka, Gerhard Liebmann u.a.
FSK: ab 12 Jahre / ab 9. Klasse
Original mit Untertiteln
Informationen des Verleihs Website zum Film: www.atmen-derfilm.at
Ein 19-Jähriger sitzt im Gefängnis eine Jugendstrafe wegen Totschlags ab. Die Chancen für eine Entlassung auf Bewährung stehen schlecht, weil er auf keine Familie zurückgreifen kann und als gesellschaftlicher Außenseiter wenig Kontakte zu den Mitgefangenen pflegt. Als er einen Freigängerjob im städtischen Beerdigungsinstitut erhält, beginnt die Suche nach seinen familiären Wurzeln.
Eindringliches Regiedebüt von Karl Markovics über einen 19jährigen Freigänger auf psychologisch intensiver Suche nach familiärer Identität. Als die "bisher schönste Arbeitserfahrung" seines Lebens bezeichnet der österreichische Schauspieler Karl Markovic die Realisierung seines Erstlingswerks. Im Mittelpunkt steht ein wegen Totschlags verurteilter in sich zurückgezogener junger Mann. Die Chancen für den 19Jährigen, nach der Hälfte der Haft auf Bewährung freizukommen, reduzieren sich mangels Rückhalt von Familie und Freunden, sowie seiner gesellschaftlichen Unangepasstheit. Nach einigen missglückten Anläufen darf er als Freigänger im städtischen Bestattungsunternehmen von Wien arbeiten. Eine Tote mit seinem Familiennamen hält er für seine Mutter. Ein Irrtum, der ihn dazu bringt, mehr über seine Herkunft herauszubekommen. Er macht sogar seine leibliche Mutter ausfindig, die ihn einst aus Überforderung dem Jugendamt übergab. Es ist die Arbeit mit den Toten, die ihn ins Leben katapultiert. Über dem Ganzen liegt eine Sprachlosigkeit mit langen Passagen ohne ein Wort, was den folgenden Sätzen dann oft eine überhöhte Bedeutung gibt. Markovics minimiert die Dialoge, transportiert die widersprüchlichen Gefühle zumeist über Gesten und Blicke, benutzt Parallelgeschichten und Metaphern wie das Schwimmbad, in dem der Protagonist untergeht bis tief auf den Boden, dort verharrt und wieder zurückkommt, an der Oberfläche schwimmt und nach Luft schnappt. "Atmen" rät ihm sein Sportlehrer und natürlich liegt die Assoziation als Symbol der Freiheit nahe, aber es dauert lange, bis die geschundene Kreatur wirklich durchatmen kann, ein erster Schritt in Selbstbefreiung und Selbstfindung. Neben dem überzeugenden Thomas Schubert zwischen Kind, Jugendlichem und frühem Erwachsenen gewinnt das Drama an Kraft durch die Kamera von Martin Gschlacht, der die Situationen in großer Klarheit und Direktheit kinematografisch verdichtet. Er fängt eine emotionslose Welt in kalten Farben ein. Im Gedächtnis bleibt die Szene von Mutter und Sohn bei der existenziellen Aussprache - wie ausgespuckt - vor einer dreckig gelben Fliesenwand in der U-Bahn. Ein beeindruckendes Debüt.
Themen: Tod, Außenseiter, Erwachsenwerden, Familie, Vorurteile, Verantwortung, Außenseiter, Identität, Individuum (und Gesellschaft), Filmsprache
Unterrichtsfächer: Deutsch, Religion/Ethik, Philosophie
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Ein Tick anders
Deutschland 2011 / 87 Min.
Regie: Andi Rogenhagen
Drehbuch: Andi Rogenhagen
Kamera: Ralf M. Mendle
Darsteller/innen: Jasna Fritzi Bauer, Waldemar Kobus, Victoria Trauttmansdorff u.a.
FSK: ab 6 Jahre / ab 8. Klasse
Informationen des Verleihs Website zum Film: www.eintickanders.de
Die 17-jährige Eva hat das Tourette-Syndrom, eine neuropsychiatrische Erkrankung. Wenn sie einen „Schluckauf im Gehirn" hat, zuckt ihr Gesicht oder sie bombardiert ihr Gegenüber mit obszönen Beschimpfungen. Dann empfindet sich das hübsche Mädchen als „Freak", als jemand, der andere Menschen mit seinen Verhalten verstört oder gar abstößt. Soziale Kontakte meidet Eva deshalb, die Schule hat sie geschmissen. Unglücklich ist Eva aber nicht. Ihre - etwas schrullige - Familie steht zu ihr und bei Streifzügen durch den Wald ist sie ganz bei sich. Als Evas Vater erst arbeitslos wird und dann einen neuen Job in Berlin findet, ist ihre private Idylle bedroht. Damit sie nicht in die Großstadt ziehen muss, will Eva selbst Geld verdienen, muss dafür aber ihre Angst vor der Außenwelt überwinden.
Nach "Vincent will meer" beschäftigt sich eine weitere deutsche Komödie mit dem Thema Tourette - mit zu Beginn auch durchaus überraschenden Erzählansätzen.
Wie man offensiv, sehr selbstbewusst und ganz ungeniert mit einer seltenen und unangenehmen Krankheit umgeht, davon erzählt der erste abendfüllende Spielfilm von Andi Rogenhagen. Der Regisseur, der auch als Dokumentarfilmer und Buchautor ("Heldensommer") aktiv ist, bringt ähnlich wie der letztjährige Sensationserfolg "Vincent will meer" das Thema Tourette aufs Tapet. Dabei gelingt es der Newcomerin Jasna Fritzi Bauer mindestens ebenso überzeugend wie ihrem Kollegen Florian David Fitz, die spezifischen Symptome mit all ihren Tics, Zuckungen und verbalen Entgleisungen glaubhaft und realistisch rüberzubringen. Während jedoch "Vincent will meer" vor allem auch als Road Movie funktionierte, ist "Ein Tick anders" statischer angelegt. Seine Heldin Eva, die Tourette recht originell als "Schluckauf im Gehirn" bezeichnet, will eben nicht ihr beschütztes Familienidyll verlassen und beginnt erst zum Ende hin, als der Umzug nach Berlin ansteht, aktiv zu werden. Der Reiz dieser warmherzigen Komödie liegt vor allem in der guten Beobachtung und im Detail. So arbeitet Rogenhagen immer wieder mit Stopptricks, um die Gedanken seiner Protagonisten "einzufrieren", oder lässt Evas (Alb)Traumwelten wahr werden, wenn diese etwa den Bankdirektor an die Guillotine wünscht oder sich selbst auf einem mittelalterlichen Scheiterhaufen wiederfindet.
Herausragende Leistungen liefern auch sämtliche Darsteller ab - von Waldemar Kobus als gutmütiger Papa, der geschickt seine Arbeitslosigkeit verheimlicht, über Renate Delfs als gewiefte Oma, die schon mal spaßeshalber einen Staubsauger mit China-Böllern in die Luft sprengt, bis hin zu Stefan Kurt als Möchtegernrocker, der ausgerechnet mit einer Wortkreation seiner kecken Nichte, dem "Arschlicht"-Song, Karriere macht. Man hätte den schrill-schrulligen Figuren bei ihrem alltäglichen Treiben gut und gerne noch länger zuschauen können, würde das Ganze nicht zum Schluss zur wilden Rififi-Klamotte mutieren und alles bisher mühsam Erworbene wie besonnener Szenenaufbau, exakte Charakterzeichnung und beschaulicher Erzählrhythmus über Bord geworfen werden.
Themen: Außenseiter, Krankheit, Erwachsenwerden, Familie, Vorurteile, Verantwortung, Identität, Individuum (und Gesellschaft), Erwachsenwerden, Filmsprache
Unterrichtsfächer: Deutsch, Biologie, Psychologie, Ethik, Religion
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Romeos
Deutschland 2011 / 94 Min.
Regie: Sabine Bernardi
Drehbuch: Sabine Bernardihttp://www.kino.de/star/sabine-bernardi/247473
Kamera: Moritz Schultheiß
Darsteller/innen: Rick Okon, Maximilian Befort, Liv Lisa Freis u.a.
FSK: ab 16 Jahre / ab 10. Klasse
Informationen des Verleihs Website zum Film: www.romeos-derfilm.de
Lukas hat gerade den wohl schwersten Schritt eines Homosexuellen hinter sich gebracht: Das Coming-out - und zwar mitten in der Provinz. Bald darauf flüchtet er nach Köln, wo ihm im Wohnheim für Zivildienstleistende ausgerechnet ein Zimmer im Frauentrakt zugeteilt wird. Doch kein Problem, denn seine beste Freundin Ine kennt sich bestens in der Kölner Szene aus und so lernt Lukas auch schon bald den Draufgänger Fabio kennen. Zwischen den ungleichen jungen Männern entspinnt sich dennoch eine Liebesgeschichte, die durch Lukas' verschwiegenes Geheimnis gefährdet wird.Visuell an "Y tu mama tambien" erinnernd, sprüht das Spielfilmdebüt von Regisseurin Sabine Bernardi geradezu vor sommerlicher Leichtigkeit, die lediglich durch die Bürde des Erwachsenwerdens und die damit verbundene Identitätssuche beschwert wird. Ungeachtet der sexuellen Orientierung wird sich der Zuschauer unweigerlich an das eigene Gefühlschaos der Pubertät erinnert fühlten. Der feinfühlig und authentisch dargestellte Film wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem als "Bester Jugendfilm" auf dem Osloer Queer Filmfestival.
Themen: Individuum (und Gesellschaft, Sexualität, Jugend/JUgendliche/JUgendkultur, Homosexualität, Coming-ofAge
Unterrichtsfächer: Deutsch, Ethik, Religion, Kunst, Biologie
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Tage die bleiben
Deutschland 2011 / 106 Min.
Regie: Pia Strietmann
Drehbuch: Lea Schmidbauer, Pia Strietmann
Kamera: Stephan Vorbrugg
Darsteller/innen: Lena Stolze, Max Riemelt, Michael Kranz, Götz Schubert u.a.
FSK: ab 12 Jahre / ab 9. Klasse
Als die Schriftstellerin Andrea Dewenter durch einen Autounfall aus dem Leben gerissen wird, gerät das Leben der Hinterbliebenen aus den Fugen. In den wenigen Tagen zwischen Tod und Beerdigung lernt eine Familie, was "Familie" wirklich bedeutet.
Regisseurin Pia Strietmann hat in ihrem Spielfilmdebüt ein Thema gewählt, das eine Menge Fingerspitzengefühl erfordert. Hier ein Tick Klamauk zu viel, dort ein wenig zu sehr zugespitzt - schon könnte die Tragikomödie kippen in eine bloße Farce. Aber die junge Filmemacherin steckt in das Drehbuch so viel Herzblut und eigene Erfahrungen, dass die Balance zwischen realistischer Innenperspektive und unterhaltsamem Blick von außen über weite Strecken gelingt.
Es beginnt mit einem schockartig in Szene gesetzten Autounfall, bei dem die Mutter einer vierköpfigen Familie stirbt. Zurück bleiben Vater Christian (Götz Schubert), dessen notorische Untreue an dem Unfall nicht ganz unschuldig ist, Sohn Lars (Max Riemelt), der den provinziellen Mief seiner Heimatstadt verachtet, und die pubertierende Tochter Elaine (Mathilde Bundschuh), für die ein Tattoo wichtiger zu sein scheint als alles andere. Schon seit einiger Zeit haben sich die Hinterbliebenen untereinander überworfen, der Vater mit dem Sohn und die Schwester mit dem Bruder.
Wie also soll man nun gemeinsam trauern, einander trösten, wichtige Entscheidungen treffen und all die Formalitäten bewältigen, die nun mal mit einer bevorstehenden Beerdigung verbunden sind. Mit einfühlsamem Blick auf die Figuren zeigt Pia Strietmann, wie es wirklich ist, aber eigentlich nicht sein "dürfte": Die Streits gehen genauso weiter wie die Fluchtbewegungen. Der Vater will mit seiner Freundin abhauen. Der Sohn lebt seine Arroganz gegenüber der Provinz an einem ehemaligen Freund aus, der heute Bestatter ist. Und die Tochter macht sich mit ihrer Freundin einen Spaß daraus, Männer sexuell zu provozieren, die ihre Väter sein könnten. Erst die Begegnung mit Menschen, die gar nicht zur Familie gehören, aber ehrlich um die Verstorbene trauern, öffnet dem Vater und den Kindern die Augen.
Die Stärke von Tage die bleiben liegt in der sensiblen und realistischen Entfaltung eines Beziehungsgeflechts, das sich durch kleine Erfahrungen entscheidend verändert. Der Film besticht durch die genaue Beobachtung von Wechselwirkungen und Widersprüchen. Pia Strietmann schickt ihre Figuren auf den Abgrenzungstrip und erkundet gerade dadurch, was die Familie noch zusammenhält.
Zusätzlich zu den eh’ schon absurden Momenten der bürokratischen Bewältigung eines Todesfalls nutzt Pia Strietmann die Ausflüge ihrer Figuren zu humoristischen Seitenhieben, die das unterhaltsame Anliegen des Films ein wenig übertreiben. Aber das sind kleine Einwände gegenüber dem Verdienst, ein schweres Thema mit einer verblüffenden Leichtigkeit zu meistern.
Themen: Tod. Verlust, Trauer, http://www.kino-zeit.de/service/tag/trauerErwachsenwerden, Familie, Vorurteile, Liebe, Verantwortung, Außenseiter, Identität, Individuum (und Gesellschaft), Filmsprache
Unterrichtsfächer: Deutsch, Religion/Ethik
Utopia Ltd.
Deutschland 2010 / 94 Min.
Regie: Sandra Trostelhttp://www.kino.de/star/sandra-trostel/178448
Drehbuch: Sandra Trostel, Thies Mynther
Kamera: Sandra Trostel, Lilli Thalgott
Darsteller. Anton Spielmann, Jonas Hinnerkort, Sebastian Muxfeldt u.a.http://www.kino.de/star/sebastian-muxfeldt/336936
FSK: ab 6 Jahre /ab der 8. Klasse
Informationen des Verleihs Website zum Film: www.utopialimited-film.de
Der Name der Hamburger Punkband "1000 Robota" ist ihnen Programm: Der 18-jährige Anton Spielmann und seine kurz vor dem Abitur stehenden und etwas jüngeren Freunde Basti Muxfeldt und Jonas Hinnerkort wollen nicht wie so viele andere ein relativ unreflektiertes und fremdbestimmtes Leben führen, sondern mit ihrer eigenen Musik etwas verursachen und so etwas wie Wertigkeit herstellen. Und das ausgerechnet in dem rundum kommerzialisierten Musikgeschäft, in dem es um Verkaufszahlen und nicht um persönliche Vorlieben geht, der Erwartungsdruck enorm hoch ist. Zwei Jahre lang hat Sandra Trostel in ihrer ersten Regiearbeit die drei Jugendlichen mit der Kamera begleitet, die mit einem Plattenvertrag in der Tasche zwischen Schule und Konzerten pendelten und sich auf ihrer ersten größeren Tour gerade mal eine Jugendherberge leisten konnten. Mit den Erfahrungen in der Musikbranche wächst die Kluft zwischen ihren Idealen und der medialen Selbstinszenierung, der sie sich stellen müssen, aber nicht anpassen wollen.
Wenn Idealismus auf Kommerz trifft, ist das für eine junge Band wohl die erste Ernüchterung, die der Erfolg mit sich bringt. Statt eine eigene Identität wahrzunehmen, werden von außen Vergleiche mit den Bands Fehlfarben und Die Goldenen Zitronen gestellt, die eigene Kunst steht mit dem Geschäft im Konflikt. Regisseurin Sandra Trostel begleitete die jungen Musiker zwei Jahre lang auf ihrem Weg zum Erfolg.
Themen: Musik, Jugend(-kultur), Popkultur, Erwachsenwerden, Medien, Kommunikation, Werte, Wirtschaft/Ökonomie , Vorurteile, Widerstand, Filmsprache
Unterrichtsfächer: Musik, Kunst, Deutsch, Sozialkunde/Geimschaftskunde, Ethik
Zu diesem Film hat VISION KINO wieder für Lehrkräften Ideen für den Einsatz im Unterricht erstellt - einfach auf das Logo FILMTIPP gehen und mehr erfahren ...
Was du nicht siehst
Deutschland/Österreich 2009
Laufzeit: 92 Min.
Regie: Wolfgang Fischer
Drehbuch: Wolfgang Fischerhttp://www.kino.de/star/wolfgang-fischer/314108
Kamera: Martin Gschlacht
Darsteller/innen: Ludwig Trepte, Frederick Lau, Alice Dwyer u.a.
FSK: ab 12 Jahre / ab 9. Klasse
Informationen des Verleihs Website zum Film: www.was-du-nicht-siehst.de
Anton fährt mit seiner Mutter Luzia und ihrem neuen Freund Paul zum Bungalow-Urlaub an die französische Atlantikküste. Der Internatsschüler Anton leidet dabei immer noch sehr unter dem Selbstmord seines Vaters und hat ein schwieriges Verhältnis zu den beiden Erwachsenen. Vor Ort lernt er das Herumtreiberpärchen David und Katja kennen, dessen seltsamem, manipulativem Spiel er bald verfällt. Dabei werden nach und nach nicht nur seine seelischen Abgründe schmerzhaft offengelegt.
Geheimnisvolles Coming-of-Age-Psychodrama, das in bestechenden Kinobildern ein abgründiges Märchenland zwischen Liebe und Tod erforscht. Mit beeindruckenden Kinobildern begeht der Österreicher Wolfgang Fischer sein Spielfilmdebüt, das die Bretagne als herb-schöne Naturkulisse für einen Psychothriller ums Erwachsenwerden und dunkle Geheimnisse auserkoren hat. Die faszinierende Ästhetik stammt von seinem Landsmann Martin Gschlacht, der ähnlich enigmatische Eindrücke wie in Jessica Hausners "Hotel" liefert. Sein Spiel mit Nebel, Licht und Schatten in den Kiefernwäldern, den verfallenen Bunkeranlagen des Atlantikwalls und an den malerischen Steilküsten liefert Trugbilder psychologischer Untiefen. Die beginnen für den fast erwachsenen Spätzünder Anton, als er mit seiner Mutter Luzia und ihrem neuen Lebensgefährten Paul zum Bungalow-Urlaub an der bretonischen Küste fährt. Dass der Internatsschüler den Selbstmord seines Vaters kaum verarbeitet hat, gehört zu den vielen Dingen, die man erst später erfährt. Er gerät in den Bann eines Herumtreiberpärchens, das sich im Nachbarhaus eingerichtet hat. Der Halbstarke David ist ein amoralischer Provokateur und Gewalttäter, dem der anhängliche Anton in einen winddurchrauschten Märchenwald folgt. David lebt ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Schwester Katja, deren sphinxhaftes Aussehen Anton anzieht. Beide treiben ein undurchschaubares Spiel mit dem Jungen, manipulieren ihn, symbolisieren seine Wünsche nach Liebe und Tod, katalysieren sein Heranreifen und leisten einer ödipalen Wende Vorschub, die endgültig seelische Abgründe bloßlegt. Choräle und ausgesuchte Sounds vervollständigen die Atmosphäre, die eine raue Spätsommeridylle aufsaugt. Darüber hängt die Ahnung von Bedrohung wie eine dunkle Wolke. Das Schauspiel der Grenzüberschreitungen nutzt die Naturromantik als mythische Landschaft, die Anton als fremde Welt entdeckt. Ängste und ihre Überwindung wabern durch diese archetypische Psycho-Natur, in der offenkundig Carl Gustav Jung, Freud und Nietzsche wohnen. Zwei Dreierbeziehungen oszillieren mit irritierender Intensität: Die der Jungen wirkt wegen der natürlichen Darsteller plastischer, die zwischen Anton und seinen unbeholfenen Eltern leidet an dem steifen Spiel der Erwachsenen. Das kann dieser durchkomponierten Odyssee in die Geisteswelt eines Jugendlichen nichts von ihrer vieldeutigen Wildnis nehmen, wie sie in Hanekes "Caché" und Ozons "Rückkehr ans Meer" schon lauerte.
Themen: Außenseiter, Erwachsenwerden, Familie, Vorurteile, Verantwortung, Außenseiter, Identität, Individuum (und Gesellschaft), Filmsprache
Unterrichtsfächer: Deutsch, Biologie, Psychologie, Ethik, Liebe, Religion
Westwind
Deutschland/Ungarn 2011 / 92 Min.
Regie: Robert Thalheim
Drehbuch: Ilja Haller, Susann Schimk
Kamera: Eeva Fleig
Darsteller/innen: Friederike Becht, Luise Heyer, Franz Dinda u.a.
FSK: ab 6 Jahre / ab 9. Klasse
Informationen des Verleihs Website zum Film: www.westwind-film.de
Es ist das Jahr 1988: Isa und Dorle, ein Zwillingspaar aus Leipzig, sind Bezirksmeisterinnen im Rudern. Als Auszeichnung für ihre Leistung dürfen sie über den Sommer in einem Pionierlager am Balaton trainieren. Sie sind begeistert vom Zelten, den Lagerfeuern und der Natur. Ehrgeizig bereiten sie sich auf ihre Sportkarriere vor. Doch dann gerät ihre Welt ins Wanken. Schon auf dem Hinweg lernen sie eine Gruppe junger Männer aus Hamburg kennen. Die haben Gefallen an ihnen gefunden und lassen nicht locker; immer wieder holen sie die Mädchen zu heimlichen Treffen ab. Als sich Dorle ernsthaft in einen der Jungen verliebt, bricht nicht nur die Harmonie der Schwestern auseinander. Die fröhliche Leichtigkeit bekommt eine politische Dramatik und eine Flucht scheint der einzige Ausweg zu sein.
Im letzten Jahr der DDR trennt eine deutsch-deutsche Sommerliebe zwei unzertrennliche Schwestern, woraus Robert Thalheim ein kraftvolles Melodram strickt.
"Never let me down again" singen die Synthie-Popper Depeche Mode programmatisch. Auch wenn der nostalgische Disco-Sound damit so voll aufdreht wie die Filmmusik - Robert Thalheim hat einen kleinen, persönlichen Film über die deutsche Teilung gedreht. Einen, der schwankt zwischen gefühlstrunkenem Liebesmelo und leicht sperrigem Sozialismus-Schwesterndrama, und trotzdem funktioniert. Die zunächst anheimelnde (N)Ostalgie weicht einer unverklärten Betrachtung deutsch-deutscher Differenzen, die Talheim behutsam und glaubhaft ausbreitet - wie sein Kritikererfolg "Am Ende kommen Touristen" mit großem Geschichtsbewusstsein.
Die strikt verbotene Annäherung an den westdeutschen Klassenfeind ist es, die zwei unzertrennliche und zunächst noch unbekümmerte Schwestern mit dem paranoiden politischen System ihres Staates kollidieren lässt. Dabei weht auf der Reise der Ruderinnen ins ungarische Ferienlager am Balaton, Europas flächengrößten Binnensee, ein Hauch von Freiheit, die sie, autoritätshörig, erst einmal für sich entdecken müssen. Aus der steifen Begegnung mit einem versnobten Wohlstandswessi-Quartett, die recht schematisch, mit unter holzschnittartig verläuft, entfaltet sich eine ungemein zarte Romanze, die vom Unglück der beiden Liebenden handelt. Der Ostblock ist für sie großes Gefängnis, aber auch Heimat.
Wie es Thalheim gelingt, trotz mancher oberflächlicher Dialoge herzergreifend von Unfreiheit und zugleich der einen großen Liebe zu erzählen, begeistert.
Themen: Deutsche Geschichte, Jugend, Liebe, Sozialismus, Erwachsenwerden, Identität, Individuum und Gesellschaft, Werte, Widerstand
Unterrichtsfächer: Geschichte, Politik, Sozialkunde
Zu diesem Film hat VISION KINO wieder für Lehrkräften Ideen für den Einsatz im Unterricht erstellt - einfach auf das Logo FILMTIPP gehen und mehr erfahren ...