MARIJA

CH/DE · 2016 · Filmlänge: 100 Min. · FSK: 12 · Drama · Darsteller: Margarita Breitkreiz, Georg Friedrich u.a.

Marija Vitrychenko hat keine Lust, sich als Opfer zu sehen. Gerade mit ihrer besten Freundin aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, einer wirtschaftlich aussichtslosen Situation entflohen, arbeitet sie als Zimmermädchen in einem Dortmunder Hotel. Marija träumt vom eigenen Friseursalon und bessert ihr Einkommen deswegen aus dem Besitz der Gäste auf, geht in den Hotelzimmern auf Diebstour, bis jemand sie verpfeift. Nach ihrem Rauswurf wird sie Assistentin und Escort-Dame für ihren hitzköpfigen Vermieter Cem, der sie abwechselnd liebevoll behandelt und erniedrigt. Beim Geschäftsmann Georg hat sie es besser, für ihn übersetzt sie in Meetings mit Russen. Aber wird es Marija gelingen, sich aus ihren Abhängigkeiten zu lösen?

 

 

Quelle: www.filmstarts.de

Wie „Victoria“, „Paula“ oder „Lotte“ ist „Marija“ schlicht mit dem Vornamen der Protagonistin betitelt. Ein erster Hinweis darauf, dass der nach drei Kurzfilmen erste Langfilm von Regisseur Michael Koch eine starke weibliche Hauptfigur ins Zentrum stellt. Und so ist es auch. Die von Margarita Breitkreiz mit Nachdruck gespielte Titelfigur, eine prekär in Dortmund lebende Ukrainerin, dominiert „Marija“ von der ersten Szene an. Das sorgte schon nach der Deutschlandpremiere beim Max Ophüls Preis und beim Filmfestival von Locarno für Lobeshymnen.

Die junge Ukrainerin Marija (Margarita Breitkreiz) lebt in einer kargen Wohnung in der multikulturellen Dortmunder Nordstadt. Im Badezimmer tropft es von der Decke, ihre Miete kann sie nicht zahlen, seit ihr der Job als Hotelputzfrau fristlos gekündigt wurde. Als es an ihrer Wohnungstür klopft, stellt sie sich tot, doch bald steht der Vermieter Cem (Sahin Eryilmaz) vor ihr und verlangt die offene Miete. Marija zögert kurz, dann befriedigt sie ihn wortlos mit dem Mund. Von nun an erledigt sie kleine Aufträge für Cem, der mit den Migranten aus der Nachbarschaft diverse Deals abschließt und gegen gute Bezahlung Kindergeldanträge ausfüllt oder Unversicherte an Ärzte vermittelt.
 
Als Marija über Cem den halbseidenen Unternehmer Georg (Georg Friedrich) kennenlernt, unterstützt sie ihn als Übersetzerin bei seinen Deals mit der russischen Mafia und steigt rasch zu seiner Assistentin und Geliebten auf. Dem eifersüchtigen Cem schmeckt das nicht, und Georg will ebenfalls mehr, als Marija ihm bietet. Doch die folgt sowieso ihrer eigenen Agenda, denn von allein schenkt ihr das Leben nichts.
 
Die von Margarita Breitkreiz („Tatort“) impulsiv dargestellte Marija steht unter Strom und bleibt rätselhaft. Mal gibt sich die Ukrainerin als Ungarin aus, mal als Französin oder Kurdin. Von der ersten Szene an folgt die Handkamera Marija, deren klappernde Absätze den Rhythmus vorgeben. Wie ein Schutzschild trägt sie ihren Wollpullover, doch wenn sie etwa um die Miete für ihren erträumten Friseurladen feilscht, übernimmt sie die Initiative. Gerade die Interaktion mit den von Georg Friedrich („Aloys“) und Sahin Eryilmaz („Club der roten Bänder“) gespielten Männern lässt Marijas Stärke zu Tage treten. Sie ist kein Opfer, sondern eine selbstbestimmte Kämpferin. Im Grunde geht es für sie vom trostlosen Anfang an bergauf, obgleich diverse Rückschläge naturgemäß nicht ausbleiben
 
Genauso gut könnte „Marija“ übrigens auch „Nordstadt“ heißen, denn in vielen Mikroschicksalen zeichnet Michael Koch ein Alltagspanorama des Dortmunder Problemviertels. Zwischen Dönerbuden und Wettsalons entwickelt sich ein Sozialdrama über Armut und Ausbeutung, das Laiendarstellern über die Schulter blickt. Der soziale Blick gestaltet das Sitten- und Charakterporträt auch dann interessant, als die Handlung zwischenzeitig stillsteht.
 
Christian Horn

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AB 12 JAHREN / 100 MINUTEN
Filmplakat des Films MARIJA