GOOD TIME O.m.U.
US · 2017 · Laufzeit: 101 Min. · FSK: 12 · Actionfilm, Drama, Kriminalfilm · Darsteller: Robert Pattinson, Jennifer Jason Leigh, Barkhad Abdi u.a.
In Sachen Coolness spielen die Safdie-Brüder mittlerweile in der Coen-Liga. Mit ihren ersten beiden Filmen haben sie sich in Cannes warmgelaufen. Nach einem Gastspiel in Venedig, präsentierte das Duo seinen vierten Streich im Palmen-Rennen. Twilight-Star Robert Pattinson gibt in diesem düsteren Gangster-Krimi einen Bankräuber, der chronisch vom Pech (und der Polizei!) verfolgt wird. Mit Charme und Cleverness zieht der Ganove in letzter Minute immer wieder den Kopf aus der Schlinge. Diese elegante Verbeugung vor dem guten alten Genre-Kino bietet rasante Spannung ohne Hänger, eine visuelle Wundertüte mit Wow-Effekten sowie einen vibrierenden Score. So gerät der Titel für das Kinopublikum (im Unterschied zum verzweifelten Helden) durchaus zur Verheißung.
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„Quietschende Räder muss man ölen?“ - solche Fragen des Psychologen irritieren Nick (gespielt von Koregisseur Ben Safdie) erheblich. Als Connie (Robert Pattinson) seinen geistig behinderten Bruder mit einem resoluten Auftritt aus den Fängen der Psychiatrie befreit, wirkt Nick sichtlich erleichtert. Die nächste Aufregung lässt jedoch nicht lange auf sich warten. Connie zieht dem kleinen Bruder eine Maske über und überfällt mit ihm gemeinsam eine Bank. Der Coup gelingt. Doch die Freude hält nicht lange an. Die Cops schlagen erbarmungslos zu.
Mit einer Kaution möchte Connie den gefassten Bruder aus dem Gefängnis zu holen. Seine hysterische Freundin (Jennifer Jason Leigh) will, wenngleich widerwillig, mit Mutters Kreditkarte helfen. Die Transaktion scheitert mangels Masse, schlimmer noch: Nach einer heftigen Keilerei im berüchtigten Knast wurde Nick mittlerweile schwer verletzt in eine Klinik verlegt.
„Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch einen zweiten Plan. Gehen tun sie beide nicht“. Die bekannte Weisheit der „Dreigroschenoper“ wird Connie noch mehrfach schmerzhaft erfahren. Wagemutig wird der bandagierte Bruder aus dem Krankenhaus befreit. Bei einer freundlichen alten Dame finden beide überraschend Unterschlupf. Deren lässige Teenager-Tochter findet den Gast ziemlich attraktiv. Sie stört sich weder daran, dass Connie sich spontan die Haare blond färbt, noch dass er nach kleiner Charme-Offensive den Autoschlüssel der tief entschlummerten Oma Auto verlangt.
In Großmutters Wagen begibt sich das ungleiche Trio zu einem Vergnügungspark, um einen dort versteckten Drogenschatz zu bergen. Bei der nächtlichen Suche in der Geisterbahn taucht plötzlich ein leibhaftiger Wachmann auf. Auch die Cops lassen nicht lange auf sich warten....
Mit seinen fünf Filmen der „Twilight“-Saga hat Robert Pattinson es erfolgreich zum globalen Objekt der kreischenden Begierde gebracht. Nach Ende der märchenhaften Mädchenschwarm-Karriere setzte der hübsche Brite auf den harten Imagewechsel und heuerte bei renommierten Regisseuren an. Für David Cronenberg trat er in „Cosmopolis“ und „Maps to the Stars“ auf, Werner Herzog engagierte ihn als Lawrence von Arabien in „Königin der Wüste“. Und für Anton Corbijn gab er den Fotografen in „Life“. Konsequent gibt er nun den knallharten Gangster im Schmuddel-Look. Hinter dem ungepflegtem Bart und der verunglückten Frisur (die er später auch noch blondiert!) bleibt vom einstigen Vampir-Hübschling optisch wenig übrig. Derart von allem Image-Ballast befreit, präsentiert Pattinson eine perfekte Performance, die in allen Facetten überzeugt: Fürsorglicher Bruder. Rabiater Räuber. Charmanter Überredungskünstler. Mieser Verführer einer Minderjährigen. Romantischer Liebhaber. Verzweifeltes Stehaufmännchen und chronischer Pechvogel.
So wie Pattinson wird auch der andere Hauptdarsteller, New York City, vom bekannten Image befreit. Die Regie-Brüder Safdie zeigen ihre Heimatstadt so authentisch und atmosphärisch dicht, wie sie sonst nur bei Scorsese zu sehen ist. Das visuelle Konzept entpuppt sich als wahre Wundertüte. Reflektierende Kleidung sorgt für grelles Licht beim Banküberfall, gefolgt von einem überraschenden, roten Knallbonbon bei der Flucht. Später genügt das schlichte Rücklicht eines Krankentransporters für die Ausleuchtung beim nächtlichen Coup. Zum fluoreszierenden Spuk gerät schließlich der Showdown in der Geisterbahn.
Als musikalisches Sahnehäubchen erweist sich der vibrierende Synthesizer-Score von Daniel Lopatin alias Oneohtrix Point Never. Er wurde in Cannes mit dem vor wenigen Jahren geschaffenen Soundtrack Award ausgezeichnet. Für die talentierten Safdie-Brüder dürfte die Zeit der Preisregen mit Sicherheit noch folgen - in der Coen-Liga spielen sie schon!
Dieter Oßwald
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