FRANTZ
DE/FR · 2016 · Laufzeit 114 Minuten · FSK 12 · Drama · Darsteller: Paula Beer, Pierre Niney, Ernst Stötzner, Marie Gruber u.a.
Ein mit großem Stilwillen inszeniertes, berührendes Drama um Krieg und Frieden, Verlust und Vergebung, Liebe und Lebenswillen ist der neue Film des französischen Regisseurs Francois Ozon, der in seiner schwarzweißen und mit farbigen Tupfern angereicherten Bildästhetik und ebenso mit seiner erzählerischen Stringenz an "Das weiße Band" erinnert. Passend zum 100jährigen Gedenken an die verheerende Schlacht um Verdun, erzählt die französisch-deutsche Koproduktion vom Zusammentreffen eines ehemaligen französischen Soldaten mit der trauernden Frau eines gefallenen deutschen Soldaten kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Getragen wird die fesselnde Geschichte von einer überragenden Paula Beer, die mit wenigen Blicken unendlich viel Emotionen auszudrücken vermag. Große europäische Filmkunst!
Quelle: www.programmkino.de
Deutschland 1919, kurz nach dem Ende des (Ersten) Weltkrieges. Die junge Anna geht wie jeden Tag an das Grab ihres gefallenen Verlobten Frantz. Sie wohnt bei ihren Fast-Schwiegereltern, die sie liebevoll aufgenommen haben. Eines Tages legt nicht nur sie, sondern auch ein fremder Mann Blumen auf das Grab von Frantz. Dieser Mann ist Adrien, ein "Frantzmann" wie man hier sagt, ein Erbfeind, dem mit Misstrauen begegnet wird, hat er doch vor kurzem noch im falschen Schützengraben gelegen. Aber Anna macht sich frei von diesen Vorurteilen, sie ist neugierig geworden, auf das, was Adrien ihr von Frantz erzählen könnte. So kommt es zu einer misstrauisch beäugten Annäherung zwischen den Beiden. Doch Adrien hat zwar den weiten Weg nach Deutschland auf sich genommen, aber die letzten Schritte zu Anna, zu Frantz’ Eltern und vor allem zur Wahrheit fallen ihm sichtbar schwer. Am Ende werden sie alle ihre eigene Wahrheit bzw. ihre liebgewordenen Lügen gefunden haben, mit der es sich weiterleben läßt.
Eine Geschichte wie aus alter Zeit erzählt Ozon hier, formal noch verstärkt durch die Wahl der Schwarzweiß-Bilder, die einen fast nostalgischen Charakter andeuten, durch ihren gelegentlichen Wechsel ins Farbige aber schon auf ein Mehr hindeuten. Denn je mehr sich die handelnden Personen kennen lernen, je deutlicher wird auch: hier wird eine ganz und gar universelle, zeitlose Geschichte erzählt von Krieg und Frieden, von Leid und Lügen, von Annäherung und Liebe. Und vor allem: von der Überwindung von Hass und Fremdenfeindlichkeit, vom Ausbrechen aus dem Kreislauf von Gewalt und Vergeltung - das in der Realität der Geschichte leider erst noch einen Zweiten Weltkrieg brauchte, bis die Völker Frankreichs und Deutschlands dies begriffen.
Getragen wird der Film von einer überragenden Paula Beer, die gegen alle Widerstände und Vorurteile ihren eigenen Weg geht, die sich schließlich hinaus wagt in die Welt, um mehr kennen zu lernen als die Enge des Ewiggleichen. Liebevoll setzt Ozons Kamera sie in Szene, läßt uns teilhaben an ihrer Trauer, an ihrer Verunsicherung, an ihrem zaghaften Aufbruch, schließlich an ihrem Versuch, sich ein eigenes Bild von dieser Welt zu machen.
So entstand ein Film, der auf der großen Leinwand einen ungeheuren Sog entwickelt, läßt man sich - vergleichbar auch mit „Vor der Morgenröte“ - auf die eigenwillige Inszenierung ein. Ein Film wie ein Kleinod, der in eine Welt führt, die schon lange für überwunden gehalten wurde, und leider doch von erschreckender Aktualität ist. Große europäische Filmkunst von inhaltlicher Stringenz und ästhetischem Stilwillen.
Hermann Thieken
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