DER STERN VON INDIEN
IN/GB · 2017 · Laufzeit 107 Minuten · FSK 6 · Historienfilm, Drama · Darsteller: Hugh Bonneville, Gillian Anderson, Manish Dayal u.a.
Die britisch-bengalische Regisseurin Gurinder Chadha (Bend it like Beckham) verfilmt mit ihrem opulenten, erhellenden Historienepos über die blutige Teilung Indiens nicht nur bewegend ihre Familiengeschichte. Ihr spannendes, sinnliches Erzählkino blickt hinter die Kulissen. Klar zeigt ihr Gesellschaftsporträt das skrupellose Ränkespiel im Auftrag Churchills, der dem Empire mit der willkürlichen Grenzziehung in einen Hindu- und einen Muslimstaat den Zugang zum Öl der Golfstaaten sichern wollte. Geschichtsschreibung von unten, die sich gegen offizielle Versionen auflehnt.
Quelle: www.programmkino.de
Delhi 1947: Es ist der heißeste Sommer seit Jahrzehnten, als Lord Mountbatten (Hugh Bonneville) mit seiner Frau Edwina (Gillian Anderson) und Tochter Pamela (Lily Travers) in den prunkvollen Palast mit seinen über 500 Bediensteten einzieht. Als letzter Vizekönig von Indien soll er die Kronkolonie nach 300 Jahren britischer Herrschaft in die Unabhängigkeit entlassen. „Du bringst einem Volk sein Land zurück, wie schlimm kann das schon werden“, beruhigt Pamela ihren Vater. Doch die britische Kolonialpolitik hat tiefe Wunden hinterlassen. Das Volk ist gespaltener denn je. Die Feindschaft zwischen Hindus, Muslimen und Sikhs eine Folge des „Teile und Herrsche“.
Die Briten spielten die Religionsgemeinschaften gegeneinander aus, um ihre eigene Macht zu festigen. In diesen Schicksalstagen kommt der junge Hindu Jeet (Manish Dayal) in den Palast. Als Butler steht er fortan dem Vizekönig zur Seite. Unverhofft trifft er dort freilich seine innige Liebe, die hübsche Muslima Aalia (Huma Quershi) wieder. Aber ihre Verbindung steht unter keinem guten Stern. Denn für Aalias Vater (Om Puri) kommt nur ein Moslem als Schwiegersohn in Frage, den er bereits ausgewählt hat.
Im Poker um Indiens Zukunft verhandelt Mountbatten inzwischen zunehmend gestresster und desillusionierter. Während der führende Hindu-Politiker Nehru (Tanveer Ghani) ebenso wie der gewaltlose Widerstandskämpfer Mahatma Gandhi (Neeraj Kabi) ein geeintes Indien anstreben, verfolgt Mohammed Ali Jinnah (Denzil Smith), andere Pläne. Ihm schwebt ein eigener moslemischer Staat vor, nämlich Pakistan. Eiligst wird der Londoner Anwalt Cyril Radcliffe (Simon Callow) eingeflogen. Er, der noch nie in Indien war, soll die neuen Grenzen entwerfen. Die Ereignisse überstürzen sich. Die Zeit drängt.
Bereits ihre hinreißende Feelgood-Komödie „Kick it like Beckham“ verzauberte unzählige Kinogängerinnen und verhalf Keira Knightley zur Weltkarriere. Mit ihrem erhellenden Geschichtspanorama bietet die indisch-britische Regisseurin Gurinder Chadar nun spannende Einblicke hinter die Kulissen politischer Entscheidungen. Ihr hochemotionales, sinnliches Erzählkino hilft zu begreifen, wie koloniale Machtstrukturen immer noch nachwirken. Sehr genau zeigt ihr hochemotionales Gesellschaftsporträt, wie Konflikte gesät werden, die neue Feindschaften erzeugen.
Gleichzeitig wollte die 57jährige, deren Vorfahren aus dem nordindischen Punjab stammen und von Flucht und Vertreibung betroffen waren, damit ein traumatisches Kapitel ihrer eigenen Familiengeschichte aufarbeiten. Letztendlich ist ihr ein ungemein politischer, aktueller Film gelungen. Denn die blutige Teilung des Subkontinents löste eine der größten und grausamsten Wellen von Flucht und Vertreibung in der Geschichte aus. Über zehn Millionen Menschen wurden vertrieben oder flohen von Ost nach West und umgekehrt: Hindus und Sikhs ins heutige Indien, Muslime Richtung Pakistan.
Dass die Kamera von Ben Smithard eingangs mit ästhetischer Wucht detailverliebt im Pomp des Palastes und den wunderbaren Farben Indiens schwelgt, sorgt darüber hinaus, trotz allem, für faszinierenden Augenschmaus. Last but not least überzeugt auch das spielfreudige Schauspielensemble. Allen voran der charismatische Hugh Bonneville, bekannt aus der Fernsehserie „Downton Abbey“, sowie Gillian Anderson, die mit der Kultserie „Akte X“ Furore machte.
Luitgard Koch
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