A HOLOGRAM FOR THE KING O.m.U.
DE/FR/GB/US · 2015 · Laufzeit 98 Minuten · FSK 6 · Drama · Darsteller: Tom Hanks, Tom Skerritt, Ben Whishaw u.a.
Er gehört zu den verlässlichen Spitzen-Spielern in der Champions-League des (nicht nur) deutschen Kinos. Kaum einer hält die Balance zwischen künstlerisch ambitionierten und kommerziell erfolgreichen Filmen so souverän erfolgreich wie Tom Tykwer. Auch sein neuer Streich gerät zum kreativen Coup. Wie in Cloud Atlas gibt sich Tom Hanks die Ehre. Diesmal versucht er als Handelsreisender dem König von Saudi-Arabien eine moderne Telefonanlage aufzuschwatzen. Dabei zwingt nicht nur die Mentalität seiner Geschäftspartner den modernen Don Quichotte zum Kampf gegen Windmühlen in der Wüste. Auch die längst schwelende Liebes- und Lebenskrise gilt es, fern der Heimat, endlich zu bewältigen. Amüsant, kurzweilig und ziemlich clever entwickelt sich ein Märchen aus 1001 Nacht der etwas anderen Art. Mit Tom (Berlin) und Tom (Hollywood) hat sich ein dynamisches Duo gefunden, das nachhaltiges Arthaus-Kinos so lässig wie unterhaltsam zu präsentieren versteht.
Quelle: www.programmkino.de
„Du stellst vielleicht eines Tages fest, dass dein großes Auto plötzlich weg ist. Und du stellst vielleicht eines Tages fest, dass du ohne dein hübsches Haus und ohne deine hübsche Frau da stehst. Und vielleicht fragst du dich selbst: Wie bin ich hier her geraten?“ - solche Fragen haben einst die „Talking Heads“ in ihrem furiosen Song „Once in Lifetime“ gestellt. Nun macht auch Tom Hanks seine existenzialistischen Hausaufgaben - und trällert zum Auftakt diese Lied als Karaoke-Version in einer schrillen Videoclip-Variation. Hanks gibt den wackeren Vertreter Alan Clay, dessen beruflicher Karriere der dramatische Absturz droht. Als letzte Chance soll Clay dem König von Saudi-Arabien eine teure Hightech-Telefonanlage verkaufen, bei der die Gesprächsteilnehmer als leibhaftige Hologramm darstellt werden. Mit dem notorischen Optimismus eines Handlungsreisenden begibt sich der verzweifelte Held auf die alles entscheidenden Geschäftsreise. Mitten in der Wüste wird demnächst eine neue Mega-Stadt aus dem Sand gestampft. In einem schwarzen Zelt am Rande der Baustelle sollen Clay und sein Team ihr telekommunikatives Wunderwerk dem König höchstpersönlich präsentieren. In Arabien ticken die Business-Uhren bekanntlich etwas anders, das muss auch Alan Clay schmerzhaft feststellen. Fest vereinbarte Termine erweisen sich als reichlich relativ, stets aufs Neue wird der Geschäftsmann von einer stoischen Empfangsdame mit grotesken Ausreden abgewimmelt: „Morgen klappt es absolut ganz sicher!“, lächelt sie ihn weg. Sein Techniker-Team im heißen Wüstenzelt fürchtet wegen Stromausfall und wackeligem WiFi um die Präsentation, der Chef in USA drängt täglich auf Erfolgsmeldungen - ob Majestät überhaupt jemals auftauchen wird, scheint zunehmend fraglicher. Neben all dem beruflichen Ärger wird der arme Alan von seinen Beziehungsproblemen aus der fernen Heimat eingeholt. „Ich habe die Orientierung verloren“, stöhnt das sonst so unerschütterliche Stehaufmännchen und wird noch verzweifelter, als es eine seltsame Geschwulst an seinem Körper entdeckt. Es gibt jedoch auch Hoffnungsschimmer für Alan. Zum einen sein einheimischer Fahrer Yousef, der ihm in seiner klapprigen Kiste überaus wortreich die fremde Kultur näher bringt. Zum zweiten eine lebenslustige Dänin, die ihn nicht nur mit verbotenem Alkohol versorgt. Vor allem aber jene selbstbewusste saudische Ärztin, die eigentlich nur seine Zyste untersuchen soll, aber sein Leben grundlegend ändern wird. Nach Vorlage des Romans von Dave Eggers erzählt Tom Tykwer mit gewohnt visuellem Einfallsreichtum die klassische Untergeher-Geschichte über einen Mann Mitte 50, der schmerzhaft erkennt, dass ihn der globalisierte Geschäftsbetrieb längst gnadenlos ausrangiert hat. Oscar-Preisträger Tom Hanks gibt einmal mehr mit souveränem Charme und makelloser Glaubwürdigkeit den perfekt sympathischen Jedermann, der ebenso wacker wie bemitleidenswert gegen die Mühlen der Ungerechtigkeit kämpft. So unerschrocken seine Figur, so mutig zeigt sich der Hollywood-Star: Ob völlig nackt unter der Dusche oder wenig schmeichelhaft mit einem sich dezent abzeichnendem Doppelkinn in Großaufnahme - einen Hanks kann nichts erschüttern! Nach diesem beschwerlichen Trip ins tiefe Tal der Frustrationen flackert am Ende des Tunnels für den Helden als Lohn der Angst natürlich ein kleines Licht der Hoffnung auf. Wer seine Filmhelden nach Saudi-Arabien schickt, darf vor den gesellschaftlichen Zuständen des Landes nicht die Augen verschließen. „Da hinten finden die Hinrichtung statt!“ erklärt Yousef seinem Fahrgast bei der Städtetour lakonisch. „Wir haben keine Gewerkschaften. Wir haben Filipinos“, sagt er später. Als Clay eine Musterwohnung der künftigen Luxus-Apartments besucht, findet er im unteren Stockwerk der Baustelle prompt jene asiatischen Wanderarbeiter, die wie Sklaven ihr menschenunwürdiges Dasein fristen. Das rückschrittliche Bild der Frauen ist stets präsent, gleichwohl wird Saudi-Arabien nicht als Land der puren Unterdrückung präsentiert. Tom Tykwer setzt auf das Prinzip Hoffnung: „Gerade die nachwachsende Generation wird sich zu einem sehr interessanten Volk entwickeln, weil sie eine Modernisierung ihrer Gesellschaft möchte. Auch die Königsfamilie verjüngt sich, deshalb sind Veränderungen nur eine Frage der Zeit“, beschreibt er sein Konzept. Für seinen Helden in der Krise findet Tykwer allemal eine schöne Lösung im Privaten: Nach dem verstörenden Auftakt mit den „Talking Heads“ gilt zum Happy-End, wenngleich ungesungen, das gute alte Schlager-Motto: „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“. Dieter Oßwald
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